Weitere Entwicklung – MFK

Im Mittelpunkt der Berichterstattung nach dem Inkrafttreten der Musterfeststellungsklage nach §§ 606 ff. ZPO (MFK) zum 01.11.2018 stand vor allem die vom Bundesverband Verbraucherzentralen (vzbv) in Zusammenarbeit mit dem ADAC erhobene Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG (VW) und die Konzernunternehmen wie Audi, Porsche, Seat und Skoda wegen Dieselgate. Meist geht es dabei um den Dieselmotor EA 189. Diese Beiträge setzen im Wesentlichen auf den FAQ und weiteren Informationen von vzbv und ADAC auf.

Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gab die „Jusitzministerin Katarina Barley„dem Handelsblatt am 30.10.2018  ein ausführliches Interview. Es übergeht aber leider die von den OLG Präsidenten am 30.05.2018  und den Sachverständigen in der Anhörung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 12.06.2018 geäußerte Kritik sowie die Erkenntnisse aus dem  ARD-DeutschlandTREND Oktober 2018 zur Zufriedenheit der Wähler mit der „Dieselpolitik“ der Bundesregierung. Auch die von Bündnis90/Grüne in der Bundestag Drucksache 19/2743 vom 13.06.2018 bzw. von Frau Dr. Manuela Rottmann und anderen vorgeschlagene Verjährungsverlängerung wird nicht angesprochen. Früher oder später schaffen aber die weiteren Schäden wegen Updategate und Valuegate hier weiteren Handlungsbedarf. Bedauerlicherweise zielt die Musterfeststellungsklage auf eine abschließende gerichtliche Klärung durch mehrere Instanzen mit anschließender Leistungsklage, nicht aber auf einen schnellen Vergleich. Auch das Verbandsklagerecht ohne eine Beteiligung der Anspruchsinhaber und Angaben zu den Einzelschäden ist ein Fremdkörper und schafft so auch keine Vergleichsbereitschaft. Daher überrascht es nicht, dass Rechtsanwälte von Volkswagen (VW) in einem Interview am 29.10.2018 klar und deutlich gesagt haben, dass die Beklagte auch bei den anschließenden Leistungsklagen keinem Vergleich zustimmen wird. Auch in einem weiteren Interview mit dem Deutschlandfunk am 01.11.2018 werden die fehlende Vergleichsbereitschaft und die für einen effektiven kollektiven Rechtsschutz erforderliche Justizentlastung schlichtweg negiert. Nur in einer Sammel(zahlungs)klage bzw. Gruppen(zahlungs)klage lassen sich Ansprüche nach Grund und Höhe typisierend zusammenfassen. Daher macht es keinen Sinn, in zigtausend Einzelverfahren von den Gerichten jeden Schaden einzeln zu betrachten.

Es mehren sich aber auch die kritischen Stimmen, die die Funktionsweise der Musterfeststellungsklage meinungsstark hinterfragen. Dabei wird zunehmend auch erkannt, dass die Musterfeststellungsklage mehrere Funktionen hat, ihnen aber nur eingeschränkt entspricht:

  • Kostenreduzierte und effiziente Durchsetzung von Individualansprüchen;
  • Justizentlastung;
  • Wettbewerbsfunktion: Primat des Rechts sowie allgemeines Integritäts- und Legalitätsinteresse des Wettbewerbs durchsetzen bzw. die rechtskonformen Mitbewerber schützen;
  • Rechtbehelf der Zivilgesellschaft;
  • Der ARD-DeutschlandTREND vom Oktober 2018 zeigt, dass 56 % gar nicht und 26 % weniger zufrieden mit der „Dieselpolitk“ sind, andere Umfragen bestätigen das Ergebnis. Die Bayernwahl und die Hessenwahl haben das möglicherweise quittiert. Die Erwartungen an die Musterfeststellungsklage sind jedenfalls hoch, auch wenn sie nicht auf einen Leistungstitel hinausläuft.

Abgeordnete aus drei Bundestagsfraktionen weisen mit klaren Worten auf die Regelungsdefizite bei der Musterfeststellungsklage (MFK) hin und stellen eine Gruppenzahlungsklage bzw. Sammelklage in den Raum:

  • Die Bundestagsfraktion von Bündnis90 / Die Grünen hat mit einer Presseerklärung am 01.11.2018 ihrer Obfrau im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Dr. Manuela Rottmann die Musterfeststellungsklage als „Besser als Nichts“ statt „Eine für Alle“ bezeichnet. Schon im Entschließungsantrag vom 13.06.2018 (BT Drucks 19/2743) hatte Frau Dr. Rottmann für ihre Fraktion eine Verlängerung der Verjährung auf dreißig Jahre beantragt, wenn der Vertragsgegenstand nicht der öffentlich-rechtlichen Genehmigung entspricht.
  • Für die Fraktion der Freie Demokraten (FDP) im Deutschen Bundestag hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae in einer Pressemitteilung am 01.11.2018 die Musterfeststellungsklage als „Reinfall für Verbraucher“ bezeichnet. Dazu sagt er unter anderem: „Das Gesetz wurde mit heißer Nadel gestrickt, weist gravierende Mängel auf und ist so ein Reinfall für die Verbraucher. Union und SPD haben das billigend in Kauf genommen, denn sie wollten um jeden Preis ein verkürztes parlamentarisches Verfahren“.
  • Die Linke hat am 26.09.2018 die Musterfestellungsklage (MFK) als ein Placebo-Gesetz bezeichnet. Mit einer kleinen Anfrage (Bundestags Drucksache 19/4392) hat sie Fragen zu den Hintergründen des Gesetzgebungsverfahrens und dem noch bestehenden Regelungsbedarf aufgeworfen (Amira Mohamed Ali, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut). Die Bundesregierung hat in der Bundestagsdrucksache 19/4891 am 10.10.2018 geantwortet.

Aus der einschlägigen Presse und den Online Medien kann an dieser Stelle nur eine erste und wertende Auswahl getroffen werden:

Im Zusammenhang mit der gegen die Volkswagen AG (VW) angestrengte Musterfestsellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und des ADAC haben sich Rechtsanwälte der Kanzlei Freshfields zu Wort gemeldet, die für die Volkswagen AG (VW) wohl im Zusammenhang mit Dieselgate, Updategate und Valuegate tätig sind. Dabei geht es um Ansprüche von Käufern von Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 mit Abschalteinrichtungen .

  • Kfz-Betrieb, Christoph Seyerlein, 29.10.2018, VW:Händler haben durch Musterfeststellungsklage nicht zu befürchten:  Zwei Rechtsanwälte von Freshfields, die VW in rechtlichen Fragen rund um Dieselgate vertreten, haben am Montag, den 29.10.2018 an einer Telefonkonferrenz teilgenommen. Patrick Schroeder und Anne-Kathrin Bertke sollen nach einem Pressebericht darauf hingewiesen haben, „dass das Ziel, Kunden mit der Möglichkeit zur Musterfeststellungsklage zu helfen, ihrer Meinung nach nicht erfüllt wird.“ Und dann heißt es:„Auch der Eindruck, klagende Kunden könnten künftig schneller zum Erfolg kommen, ist aus Sicht der Wolfsburger falsch. Patrick Schroeder sagte dazu: „Verbraucher, die sich einer Musterfeststellungsklage anschließen, wissen aller Voraussicht nach erst nach mehreren Jahren, ob und wie viel Geld ihnen zusteht.“ Das Musterfeststellungsverfahren vor dem OLG Braunschweig werde voraussichtlich mindestens zwei Jahre dauern. Und selbst dann wird bei einer für Kunden positiven Entscheidung nicht direkt Geld fließen. Volkswagen kündigte für jenen Fall an, vor den Bundesgerichtshof ziehen zu wollen, was wohl mindestens weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen würde. Sollte der Autobauer auch dort verlieren, muss jeder Kunde noch zusätzlich eine individuelle Leistungsklage erheben, um eine Entschädigung zu erhalten.“
  • Das ergibt sich so auch aus der Leipziger Volkszeitung vom 02.11.2018: „Zehntausende potenzielle Musterkläger hoffen auf einen Vergleich mit VW am Ende des Verfahrens, weil bekannt ist, dass sich der Konzern mit vielen Individualklägern geeinigt hat. Diese Hoffnung dämpft Anwalt Patrick Schroeder von der für VW arbeitenden Kanzlei Freshfields jedoch. „In Anbetracht der vielen individuellen Besonderheiten in den Fällen, in denen Kläger Ansprüche stellen, halten wir einen Vergleich im Musterfeststellungsverfahren für sehr unwahrscheinlich.“ Und was viele in der Debatte vergessen: Volkswagen bleibt trotz des Rückrufs von 2,5 Millionen Fahrzeugen dabei, nicht illegal gehandelt zu haben. Schroeder: „Es handelt sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung.“

Auch für das Verwaltungsrecht wird ein kollektiver Rechtsschutz verlangt. Der Hauseigentümerverband Haus & Grund fordert das, um gegen Abwassergebühren oder Straßenausbaubeiträge zu klagen. (Volksstimme.de am 25.10.2018)

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