Die Monopolkommission hat sich in den letzten Jahren immer wieder im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schadensersatz- und Unterlassungsklagen mit dem kollektiven Rechtsschutz auseinandergesetzt.
Bereits im XX. Hauptgutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB vom 1. Juli 2014 wird auf die Bedeutung eines effektiven Rechtsschutzes für den Gerichtsstandort Deutschland hingewiesen. Dazu heißt es am Ende von Randnummer 954:
„6.2 Private Kartellverfolgung
954.
…
Die britische Regierung hat im Berichtszeitraum Änderungen für eine Reform des Verfahrensrechts für private Schadenersatzklagen vorgeschlagen, welche die Erhebung von Sammelklagen (Opt-out) und nicht an eine behördliche Verfügung anknüpfende Kartellklagen vor einem speziellen Kartellgericht (Competition Appeal Tribunal) möglich machen würde. Diese Maßnahmen werden nach Einschätzung von Marktbeobachtern die Attraktivität des Vereinigten Königreichs als Gerichtsstand für Kartellschadenersatzklagen weiter steigern. Sie dürften zugleich allerdings das Risiko erhöhen, dass Schadenersatzklagen gegen deutsche Unternehmen außerhalb Deutschlands und damit in einer für heimische Unternehmen nicht leicht einschätzbaren Rechtsordnung erhoben werden.
Die Monopolkommission warnt vor diesem Hintergrund davor, die Umsetzung der Richtlinie zu privaten Schadenersatzklagen in deutsches Recht zu verzögern. Für den Fall einer spürbaren Verlagerung von Kartellschadenersatzklagen zu ausländischen Gerichtsständen tritt sie dafür ein, die geltenden Verfahrensregeln für Schadenersatzklagen mit Blick auf die Kommissionsempfehlung zu kollektiven Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren zu überprüfen, um das deutsche Verfahrensrecht in geeigneter Weise anzupassen.“
Unter dem 20. September 2016 empfiehlt die Monopolkommission in ihrem XXI. Hauptgutachten gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB die Einführung eines kollektiven Rechtsschutzes durch Gruppenzahlungsklagen. Dazu steht in den Randziffern 182 bis 184:
- Kollektiver Rechtsschutz
2.8.3.3 Empfehlung
- Die Monopolkommission steht Gruppenklagen positiv gegenüber, da durch sie Geschädigten der Zugang zur Justiz erleichtert wird und zugleich deutsche Gerichte entlastet werden. Die Monopolkommission unterstützt den geplanten Gesetzesentwurf des Justizministeriums zum Musterfeststellungsverfahren, durch den ebenfalls Gerichtskosten der Parteien und öffentliche Ausgaben gesenkt werden können. Sie weist darauf hin, dass diese Einsparungen bei einer echten Gruppenklage deutlich höher ausfallen würden, da im Anschluss an ein Musterfeststellungsverfahren jeder Geschädigte seine Ansprüche noch individuell durchsetzen werden muss.
- Zur Überwindung des rationalen Desinteresses bei Kleinstschäden wären nur Opt-out-Gruppenklagen geeignet. Eine Vorteilsabschöpfung kann jedoch durch eine Reform des § 34a GWB leichter bewerkstelligt werden. Vor diesem Hintergrund sollte dem Opt-in-Modell als „milderes Mittel“ der Vorzug gegeben werden. Zudem plädiert auch die Europäische Kommission in ihrer unverbindlichen Empfehlung für Opt-in-Gruppenklagen. Vorbehalte in Bezug auf das rechtliche Gehör und die Entstehung einer Klageindustrie stehen der Einführung insbesondere von Opt-in-Gruppenklagen nach Auffassung der Monopolkommission nicht im Wege.
- Die Monopolkommission empfiehlt daher die Einführung einer Gruppenklage nach dem Opt-in-Modell sowie eine Reform des § 34a GWB. Erstens sollte das Vorsatzerfordernis aus § 34a GWB gestrichen werden. Zweitens sollte der Schadensnachweis durch eine widerlegbare Schadensvermutung und ggf. durch einen Mindestschätzbetrag erleichtert werden. Drittens könnte im Gesetz vorgesehen werden, dass zumindest ein Teil der abgeschöpften Summe bei dem Verband verbleibt.“